zeitreise: dorothy vaughan

ein beitrag aus ausgabe 3
vom 04.26.2021
Verfasst von Elisabet Bästlein

Als größte Fach­hochschule Deutschlands – und noch dazu als eine, die einen technische Schwer­punkt – haben wir uns nun öfter mit dem Thema Zeitreisen auseinander­gesetzt. In unserer neuen „Zeitreise“ möchten wir Gespräche mit euch teilen, die wir mit genialen Köpfen der Menschheits­geschichte geführt haben, die die Geschichts­bücher zu erwähnen versäumen.

dorothy vaughan

akkuraTH: Mrs Vaughan, ihre Karriere bei der NASA begann um 1940 in der West Area Computing Unit. Was hieß das für Sie und Ihre Kolleginnen?

Vaughan: Ich habe mit 19 Jahren ein Mathematikstudium abgeschlossen. Sicher, die Kalkulationen, die wir in der Computing Unit anstellten, waren anspruchsvoll und notwendig, die NASA hat auch damals nur die Besten der Besten eingestellt. Aber unser Beitrag zum Mondlandungsprogramm blieb indirekt und versteckt – im wahrsten Sinne des Wortes. Im Souterrain eines separaten Gebäudes in einem fensterlosen Großraumbüro kontrollierten wir Berechnungen aus den höheren Abteilungen. Im schlimmsten Fall waren wir menschliche Rechner (Computers oder Computing Ressources), im besten Fall betrachtete man uns als schlaue Mädchen mit Rechenmaschinen. Das wurde keiner von uns gerecht.

akkuraTH: Es gab nur Frauen in der Computing Unit?

Vaughan: Das ist korrekt. Die West Area war den afroamerikanischen Mitarbeitenden vorbehalten, und darin wurden Frauen und Männer noch einmal getrennt. Wir mussten nicht doppelt so gut sein, wie der schlechteste weiße Mann der Nasa, wir mussten doppelt so gut sein wie der beste Schwarze Mann, um dann noch einmal doppelt so gut zu sein, damit man überhaupt auf die Idee kam, uns mit weißen Maßstäben zu messen. Die meisten von uns hatten auch noch Kinder, auch ich. Ich war sechsfache Mutter, Ehefrau, Mathematikerin und Afroamerikanerin. Viel später sollte es einen Begriff für Menschen geben, die mehrere Nachteile hatten: Intersektionale Diskriminierung.

akkuraTH: Wie sind Sie damit umgegangen und was würden Sie den Wissenschaftler:innen der Zukunft raten, die mit intersektionaler Diskriminierung konfrontiert werden?

Vaughan: Ich änderte, was ich ändern konnte; was nicht, ertrug ich [quelle]. Es gibt zwei Wege, in einem Wettbewerb aufzusteigen. Entweder man beweist, dass man viel besser ist als alle anderen. Das ist schwierig, wenn man unsichtbar ist. Oder man kann etwas, was niemand sonst kann, sodass man unentbehrlich wird – und sichtbar. Ich war die Erste bei der NASA, die den IBM bedienen konnte, also die Erste, die programmieren konnte. Dadurch wurde ich die erste weibliche, afroamerikanische Abteilungsleiterin bei der NASA. Weil es keine Alternative zu mir gab. Es war ein langer Weg, der sich gelohnt hat, und das rate ich allen, die von Diskriminierung betroffen sind: Macht euch sichtbar, seid kreativ, schöpft euer Potenzial aus, und irgendwann wird es sich lohnen.

Elisabet Bästlein

Elisabet Bästlein

Redaktionsleitung

Elisabet versuchte einige Jahre lang vergeblich, ihr Studium der pharmazeutischen Chemie zu beenden. Heute arbeitet sie als Content-Managerin für ein Unternehmen in Bonn. Vor ihrer Studien­zeit war sie als freie Journalistin in der Kreis­redaktion Nord­friesland des Schleswig-Holsteinischen Zeitungs­verlages (sh:z) tätig.

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