wenn alles wäre, wie es ist: warum gesetzes­entwürfe im femininum angeblich verfassungswidrig sind

ein beitrag aus ausgabe 2
vom 18.01.2021
Verfasst von Elisabet Bästlein

Im Oktober 2020 wurde dem Bundesinnenministerium (Leitung: Horst Seehofer, CSU) ein Gesetzesentwurf zum geplanten neuen Sanierungs- und Insolvenzrecht vorgelegt. Dass die Justizministerin Lambrecht (SPD) sich nicht unbedingt in jeder ihrer Amtshandlungen neu erfindet, ist bekannt. Aber diesmal sorgte der Vorschlag inner- und außerhalb der bundespolitischen Chefetage für Aufsehen: Der gesamte Text war in der jeweils weiblichen Form geschrieben. In der Sprachwissenschaft spricht man hier vom generischen Femininum.

So war beispielsweise von der “Insolvenzverwalterin” die Rede, der “Insolvenzberater” kam allerdings nicht vor. Unmittelbar nach Vorlage des Entwurfs wurde eine sprachliche Anpassung gefordert und nach kurzer Debatte auch umgesetzt. Das Gesetz wurde mittlerweile – wie alle Gesetze im deutschen Recht – im generischen Maskulinum verabschiedet. Die Begründung: Von einem Gesetz im generischen Femininum würden sich möglicherweise lediglich Menschen weiblichen Genders angesprochen fühlen. Da das generische Femininum sprachwissenschaftlich nicht anerkannt sei, müsste man männlichen Widersprechenden formal Recht geben, sodass ein Gesetz im generischen Femininum auch praktisch nur für Menschen weiblichen Genders gelten könne.

{
Ohne Führerschein Auto fahren, weil es kein Führerinnen- (oder Führer:innenschein) ist, und dann Fahrerflucht begehen, weil Fahrerinnenflucht nicht verboten ist.
Irgendetwas an dem Gedanken gefällt mir sehr.

Ein nachvollziehbares Argument. Aber als Person weiblichen Genders frage ich mich dann: Gelten alle Gesetze im generischen Maskulinum dann auch nicht für mich? Ohne Führerschein Auto fahren, weil es kein Führerinnen- (oder Führer:innenschein) ist, und dann Fahrerflucht begehen, weil Fahrerinnenflucht nicht verboten ist. Irgendetwas an dem Gedanken gefällt mir sehr.

Wenn wir nun aber davon ausgehen, dass – wie im Grundgesetz zumindest teilweise verankert – alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht und Personenstand vor dem Gesetz gleich sind. Wenn wir das einfach mal annehmen. Und wenn sich Menschen mit männlichem Gender von einem Gesetz im generischen Femininum nicht angesprochen fühlen, dann müsste es ja entweder komplett durchgegenderte Gesetzestexte geben, oder aber jeweils weitere Gesetzbücher im Femininum – was nicht-binäre Menschen immer noch ausschließen würde. Und aus historischen Gründen lässt sich die Verfassung auch nicht so einfach ändern.

Dass das ein Schuss in den Ofen sein würde, hätten sich Frau Lambrecht und ihre Referent:innen eigentlich auch denken können. Dennoch stelle ich mich heute Abend auf meinen Feuertreppenabsatz und klatsche fünf Minuten lang für diesen Versuch, wenigstens eine fundierte Diskussion zu diesem Thema anzustoßen.

Wenn man es realistisch betrachtet, könnte man diese Situation als Grund zur Resignation werten. Denn Frauen dürfen jetzt Hosen tragen, Wählen und Abitur machen. Und wenn eine Frau nein sagt, dann bedeutet es nein. Das macht den Feminismus nach der Meinung vieler bereitsüberflüssig.

Ist er aber nicht. Genau wegen dieses Gesetzesentwurfs wird uns allen deutlich, dass da noch einiges passieren muss, bevor der Feminismus für immer abgeschafft werden kann.

Elisabet Bästlein

Elisabet Bästlein

Redaktionsleitung

Elisabet versuchte einige Jahre lang vergeblich, ihr Studium der pharmazeutischen Chemie zu beenden. Heute arbeitet sie als Content-Managerin für ein Unternehmen in Bonn. Vor ihrer Studien­zeit war sie als freie Journalistin in der Kreis­redaktion Nord­friesland des Schleswig-Holsteinischen Zeitungs­verlages (sh:z) tätig.

Pin It on Pinterest

Share This