zeitreise: clara immerwahr

ein beitrag aus ausgabe 1
vom 12.20.2020
Verfasst von Elisabet Bästlein
Als größte Fach­hochschule Deutschlands, und noch dazu als eine, die einen technischen Schwer­punkt hat, hat sich der AStA nun lange mit dem Thema Zeitreisen auseinander­gesetzt. In unserer neuen Reihe „Zeitreise“ möchten wir Gespräche mit euch teilen, die wir mit genialen Köpfen der Menschheits­geschichte „geführt“ haben, die die Geschichts­bücher zu erwähnen versäumen.

asta
„Frau Immerwahr, Sie waren die erste deutsche Frau, die einen Doktor­titel in Chemie erlangte. Wie gehen Sie damit um, dass Sie von jungen Jahren an trotz Ihrer wissen­schaftlichen Verdienste immer im Schatten Ihres Mannes, Fritz Haber, gestanden haben?“

Immerwahr
„Mir waren meine Ideale – Pazifismus und Gleich­berechtigung – wichtiger als die Wissenschaft, und das aus Not­wendigkeit, denn zum Ende meiner Promotion war ich eine Frau in einer Männer­domäne und der Erste Weltkrieg warf seine Schatten voraus. Fritz hatte immer ein einnehmendes Wesen, gegen das ich mich nicht behaupten konnte. Das ist es, was ich der Welt hinterlassen habe“

asta
„Was bedeutet Diskriminierung für Sie, Frau Immerwahr?“

Immerwahr
„Diskriminierung ist eine Erfahrung, die jeder Mensch auf fast jeder Ebene machen kann. Ich habe sie erfahren, weil ich eine Frau war, die eine akademische Karriere in einer von Männern angeführten Wissen­schaft anstrebte, habe mich gegen diese Hunderte Männer in meiner Branche durchgesetzt, um dann vor derselben Diskriminierung, vor einem Rollen­cliché, in meiner Ehe zu kapitulieren. Für mich ist sie darin gegipfelt, dass ich keinen Glauben mehr daran hatte, dass es eine Welt für mich und meine Werte geben könnte. Als Jude hat mein Mann ebenfalls berufliche Diskriminierung erfahren – vielleicht war es das, was uns verbunden hat – und aus ihm hat sie zwar einen leistungsstarken Nobel­preisträger, aber eben auch, oder vor allem, einen rücksichtslosen, unbarmherzigen Mörder gemacht.“

asta
„Was ist es, was Sie den Wissen­schaftler:innen von morgen mit auf den Weg geben wollen?“

Immerwahr
„Egal, was euch im Leben wichtig ist – ihr müsst es umsetzen! Ich wollte lieber noch zehn Doktor­arbeiten schreiben, als mich so quälen zu müssen.“

 

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Elisabet Bästlein

Elisabet Bästlein

Redaktionsleitung

Elisabet versuchte einige Jahre lang vergeblich, ihr Studium der pharmazeutischen Chemie zu beenden. Heute arbeitet sie als Content-Managerin für ein Unternehmen in Bonn. Vor ihrer Studien­zeit war sie als freie Journalistin in der Kreis­redaktion Nord­friesland des Schleswig-Holsteinischen Zeitungs­verlages (sh:z) tätig.

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