climate anxiety – pathologie einer generation?

You have stolen my dreams and my childhood with your empty words […]“ sagte Greta Thunberg 2019 bei ihrer inzwischen berühmten Rede vor der UN. Bei ihrem Appell an die Vereinten Nationen fasste Greta in Worte, was eine ganze Generation junger Menschen seit Jahren fühlt. Wir, also Generation Z, sind in eine Welt geboren worden, die sich in Folge einer exponentiell gewachsenen Industrialisierung inmitten einer Klimakatastrophe befindet. Uns wurde ein kaputter Planet übergeben, in der tägliche Nachrichten über Waldbrände, Abholzung oder Umweltkatastrophen zur Normalität geworden sind. 

Keeling Kurve

Die Keeling Kurve bildet die seit 1958 gemessene CO2 Konzentration auf der Bergstation in Mauna Loa, Hawaii ab. Zusammen mit berechneten Mengen des globalen CO2-Ausstoßes, liefert die Messkurve den direkten Beweis für den menschengemachten Klimawandel und stellt damit eine der wichtigsten wissenschaftlichen Quellen für die moderne Klimaforschung dar. Die Werte sind in der Einheit parts per million (ppm) angegeben.

die psychische belastung des klimawandels

Kein Wunder also, dass immer mehr junge Menschen von Climate Anxiety betroffen sind. Dieser Begriff wird von den Psychologists and Psychiatrists for Future (PFF) als ein emotionaler Zustand beschrieben, der durch „Anspannung, Besorgtheit, Nervosität, innere Unruhe und Furcht vor zukünftigen Ereignissen gekennzeichnet ist. Doch diese Definition soll nicht bedeuten, dass es sich hierbei um eine irrationale Reaktion auf ein Ereignis oder eine Situation handelt. Ganz im Gegenteil: Climate Anxiety ist objektiv betrachtet eine sehr rationale Adaption auf einen Ausnahmezustand, der spätestens seit der aktuellen Pandemiesituation auch vielen anderen Menschen vertraut sein sollte. Angst vor Bedrohung ist schließlich eine sehr sinnvolle Eigenschaft, die sich berechtigterweise evolutiv durchgesetzt hat. Doch die Reaktion auf diese Art der Bedrohung, die man weder sehen noch anfassen kann, endet gerade ohne die notwendigen politischen Handlungen häufig in Frustration. 

Vor allem in den letzten Jahren hat sich durch diese Machtlosigkeit vieler Menschen eine Individualisierung der Umweltverantwortung entwickelt. Bei jedem Einkaufstripp scheint es ein noch nachhaltigeres Produkt zu geben und jede:r Influencer:in hat eigens verfasste Ökotipps, die den persönlichen CO2-Fußabdruck kleiner und das Gewissen besser machen sollen. Dadurch hat sich eine regelrechte Schuldzuweisung der Einzelperson für die voranschreitend negative Entwicklung unserer Umwelt gebildet.

Unabhängig davon, dass es in einer unperfekten Welt nicht möglich ist, perfekt zu leben und dies, wie in allen Bereichen des Lebens, unrealistisch ist, bleibt eine Frage offen: Warum sind wir der Meinung, wir könnten den Klimawandel durch Mikrohandlungen aufhalten? 

energie – ein schlüsselpunkt des klimawandels

Natürlich ist es sinnvoll, seinen eigenen Plastikverbrauch zu reduzieren, lokale Lebensmittel zu bevorzugen und die Nutzung von CO2 ausstoßenden Verkehrsmitteln zu reduzieren. Doch wir sollten uns wieder klarer vor Augen führen, in welchem Verhältnis welche Sektoren und Akteure an dem Voranschreiten des Klimawandels durch den Ausstoß von Treibhausgasen beteiligt sind.

Betrachtet man hierzu die Energiebranche, erkennt man schnell, dass allein die Nutzung von Kohle zur Bereitstellung von Nutzenergie im Jahr 2018 weltweit 14.766.000.000 Tonnen CO2 ausgestoßen hat. Das ist etwa halb so viel wie der globale Luftverkehr über 78 Jahre hinweg (1940 – 2018) in die Atmosphäre gepustet hat.

Natürlich ist auch jede Privatperson abhängig von Strom und Wärme, die wiederum zu großen Anteilen aus der Kohlewirtschaft kommt. In Deutschland entfielen jedoch im Jahr 2019 etwa 73% des Endenergieverbrauches auf die Sektoren Industrie, Verkehr und auf gewerbliche Nutzung. Also hätte selbst die perfekte energetische Optimierung eines Privathaushaltes einen verschwindend geringen Einfluss auf die gesamte CO2-Bilanz unseres Landes gehabt. 

https://unsplash.com/@markusspiske

was wirklich jede:r tun kann

Doch wenn eine Verbreitung von nachhaltigen Mikrohandlungen die Klimakrise nicht abwenden kann, was bleibt uns dann noch übrig? 

Jede:r von uns ist nicht nur als Individualperson, sondern auch als (kleiner) Teil einer Gesellschaft existent. Innerhalb dieser Gesellschaft(sgruppe) helfen Demonstrationen, die Verbreitung wissenschaftlicher Daten und konstruktive Diskussionen enorm, um ein Bewusstsein für Probleme zu schaffen. Aber die größte Macht eines jeden Individuums in einer Demokratie ist es, das eigene Wahlrecht wahrzunehmen und den Menschen die Strippen in die Hand zu geben, die der eigenen Überzeugung am nächsten kommen. Denn in unserem Wirtschaftssystem werden große Unternehmen und Shareholder nicht aus Nächstenliebe ihren Gewinn reduzieren. Es braucht bindende und unumgängliche Richtlinien und Verpflichtungen, damit wir eine Chance haben, die Klimaziele einzuhalten, von denen wir wissen, dass sie den Planeten und vor allem unsere Zukunft auf selbigem verändern können.

Ein paar Reminder an jeden Menschen, der sich bei der Thematik mitunter sehr überwältigt fühlt:

  • Eine vergleichbar ‚weniger nachhaltige‘ Handlung macht nicht alle anderen sehr durchdachten Entscheidungen zunichte. Tu, was du kannst und mach dich nicht selbst zu sehr fertig, wenn das mal weniger ist, als du gerne getan hättest.
  • Es ist in Ordnung sich auf Diskussionen mit Skeptiker:innen oder Verschwörungstheoretiker:innen mal nicht einzulassen. Nicht jede Person lässt sich überzeugen und nicht bei jeder Person lohnt es sich, sich darüber aufzuregen.
  • Deine Überzeugung ist nicht weniger wert, weil du mal eine Plastiktüte nutzt oder mit dem Auto gefahren bist. Wir unterliegen alle den Bedingungen unserer Zeit. So wie die Glühbirne bei Kerzenlicht erfunden wurde, ist es in unserer Welt nicht möglich keinen CO2-Abdruck zu hinterlassen.
Moira

Moira

Freie Autorin

Moira interessieren alle Themen bezüglich des Klimawandels und sie setzt sich viel mit gesellschaftlicher und sozialer Gleichberechtigung auseinander. Darüber hinaus studiert sie Erneuerbare Energien im 5. Semester. Moiras größtes Lebensziel ist es, irgendwann ein sehr großes und dickes Hausschwein zu besitzen. #Kalkliebe

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