frauen in der technik – ‚die problematik mit dem klo‘

ein beitrag aus ausgabe 2
vom 18.01.2021
Verfasst von Denis Dunkel

In keiner anderen Zeit der Menschheitsgeschichte waren die Themen Gleichberechtigung und politische Korrektheit so präsent wie heute. Doch zwischen Statistiken und Diskussionen um die Frauenquote erobern immer mehr Frauen ihre rechtmäßigen Plätze in der vielfältigen Arbeitswelt. Hierbei wird häufig vergessen, dass es eben nicht um Zahlen und Richtlinien geht, sondern um reale Frauen und ihre Erlebnisse, die in unserem Falle leider viel von der reinen Existenz einer Vagina geprägt sind. 

Wir, das sind zwei Frauen Anfang zwanzig, die sich aus absolut idealistischen Gründen zu einem Studium der Erneuerbaren Energien haben hinreißen lassen. Kennengelernt haben wir uns im Mathevorkurs mit einer sehr interessanten Diskussion über den Ursprung des Wortes Periode: Aus dem mathematischen Kontext oder aus dem menstruierenden Kontext? (Antwort: Weder noch.)

Um sich für den Studiengang ‚Erneuerbare Energien‘ (EE) an der Technischen Hochschule Köln einschreiben zu können, ist der Nachweis eines Vorpraktikums vorzulegen. Dieses Praktikum muss genauen Richtlinien folgen, die sich für EE stark an Inhalten des allgemeinen Maschinenbaus orientieren. Heißt im Klartext: Metallverarbeitung, Automatisierungstechnik und vergleichbare Bereiche, allesamt dominiert von Männern. Auf der Suche nach diesem Praktikumsplatz begegneten wir das erste Mal der ‚Problematik mit dem Klo‘. Denn die Antwort auf unsere Praktikumsanfrage war leider viel zu häufig: „Entschuldigung, Sie können ihr Praktikum leider nicht bei uns machen, wir haben keine Frauentoilette und dürfen Sie daher arbeitsschutzrechtlich nicht einstellen.“

Diese Aussage führt zu zwei Schlussfolgerungen über den Betrieb:

  1. Bisher wurde offensichtlich nicht eine einzige nicht-männliche Person eingestellt.
  2. Es existiert wohl keine Motivation in naher Zukunft nicht-Männer einzustellen, ansonsten würden die Toilettensituation schließlich geändert werden.

Die Betriebe hätten sich wohl alle samt über einen Praktikanten gefreut. Aber eben nicht über eine Praktikantin.

Dass wir als Frauen in der Technik vom aktuellen Status Quo abweichen, wurde uns also schon schmerzlich bewusst, bevor wir auch nur einen Fuß in die Hochschule gesetzt hatten. Ist der Fuß dann da, wo er hinwollte, geht die ‚Problematik mit dem Klo‘ direkt weiter.

Man steht eine Viertelstunde zu früh, viel zu motiviert vor der Tür des größten Hörsaals und wartet etwas verloren auf den Mathe-Vorkurs. Unter den Anwesenden lassen sich zwischen zahlreichen Statuen von verstorbenen Wissenschaftlern und Ingenieuren (Das Gendern ist hier überflüssig.) eine Hand voll Frauen abzählen. – „Yes, nicht die Einzige!“ Um nicht direkt Teile der ersten Veranstaltung zu verpassen, meldet sich der logische Menschenverstand und man fasst den Entschluss die Toilette aufzusuchen.

Ein riesiges Gebäude, 12 Stockwerke mit jeweils vier Flügeln, überall Toiletten, doch die erste auffindbare für Frauen ist abgeschlossen. So beginnt der Tag wider Erwarten nicht mit der Hoffnung, dass man die Ableitungsregeln noch irgendwo im Kopf versteckt hat. Dafür aber mit einem Suchtrupp, bestehend aus wildfremden Frauen, um vor der ersten Veranstaltung zumindest noch gesellschaftlich akzeptiert die Blase entleeren zu können. 

Leider war die geringe Anzahl an Frauen WCs keine subjektive Wahrnehmung einer Gruppe orientierungsloser Erstis: Es handelt sich vielmehr um ein grundlegendes Problem. Denn auf jeder Etage existieren auf den ersten Blick zwei Toiletten – eine für Männer und eine für Frauen – klingt doch fair, oder? 

Es hat ein Jahr und einen langen Abend im Fachschaftsraum gedauert, bis wir alle gleichermaßen erstaunt feststellen mussten, dass das absolut nicht der Fall ist. Während auf der Frauenseite exakt eine magere Toilette zu finden ist, existieren für die anderen Seite je nach Etage bis zu 12 Möglichkeiten die Blase zu entleeren. Hinzu kommt, dass die eine müde Frauentoilette, sobald man die sechste Etage erreicht, meistens abgeschlossen ist. Aus welchem Grund, ist uns bis heute ein Rätsel.  

‚Die Problematik mit dem Klo‘ ist also bittere Realität. Sie ist der Anfang einer Reihe von Hindernissen, die Studenten faktisch einfach nicht überwinden müssen – Allerdings jede Studentin.

Natürlich sind wir nicht die Ersten, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzen. Sophie Passmann brachte diese Situation in ihrem Buch „Alte weisse Männer – ein Schlichtungsversuch“ perfekt auf den Punkt „Es gibt immer Türen, die bleiben dir verschlossen, wenn du eine Frau bist, wenn du jung oder schwarz bist. Aber als weißer alter intelligenter Mann sind alle Türen, die ab Werk geöffnet sein können, auf.“

Dieser Text ist verfasst von Moira und Lena, Fachschaftsrat Erneuerbare Energien.

Lena
Moira

Lena und Moira

Freie Autorinnen

Lena und Moira interessieren alle Themen bezüglich des Klimawandels und sie setzen sich viel mit gesellschaftlicher und sozialer Gleichberechtigung auseinander. Zusammen studieren sie Erneuerbare Energien im 5. Semester. Seit September wohnen die beiden nur noch 1,5 Minuten voneinander entfernt (#Kalkliebe). Während bei Lena das Brettspiel Siedler ernstzunehmende Familienkrisen auslöst, ist es Moiras größtes Lebensziel, irgendwann ein sehr großes und dickes Hausschwein zu besitzen.

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