wie zivil ist eigentlich die kölner hochschul-zivilklausel und was war 2020 daran so besonders?

ein beitrag aus ausgabe 2
vom 18.01.2021
Verfasst von Elisabet Bästlein

Das neue Hochschulgesetz hat 2020 in ganz NRW Schlagzeilen gemacht, u.a. weil es nach einer Änderung keine Zivilklausel mehr vorsieht. Alle Hochschulen mussten sich also in ihrer Grundordnung zu dieser Verpflichtung bekennen oder sich durch eine Streichung dagegen entscheiden. Was genau das eigentlich bedeutet und wie die TH das geschafft hat, erklärt Vanesa Haucke im Gespräch mit akkuraTH.

Vanesa Haucke, ihres Zeichens Pädagogik-Studentin der Kindheit und Familienbildung an der F01 der TH Köln, ist studentische Senatorin in der laufenden Legislatur, Mitglied der Ständigen Kommission für Studien-, Lehr- und Lernreform  laut Grundordnung (SK1) und Mitglied des zentralen Studienbeirats. Die meisten dieser Gremien werden vielen Studierenden kaum etwas sagen, was sehr schade ist und woran wir etwas ändern möchten. Klar ist: Ohne Menschen wie Vanesa würde einiges an der TH Köln anders, oder schlimmstenfalls auch gar nicht laufen. Um die Arbeit von Vanesa und ihren Kolleg:innen einmal genauer zu beleuchten und die Bewandtnis der Debatte um die Zivilklausel aufzuklären, hat der Arbeitskreis CampusPresse sie dazu Anfang Dezember genauer befragt.

Lukas Krick, Vanesa Haucke,Marco Reichhardt

Lukas Krick, Vanesa Haucke, Marco Reichardt (v.l.n.r.) aus dem Arbeitskreis Zivilklausel

akkuraTH: Vanesa, welche Arbeit leistet der Senat und was wird dort ganz konkret entschieden?

Haucke: Die Arbeit des Senats als höchstes demokratisches Gremium der Hochschule ist für mich ganz klar der Schwerpunkt in der Hochschulpolitik. Weil relativ viele Interessen dort fraktionsübergreifend vertreten und argumentativ verteidigt werden müssen, wenn man das auf die Anzahl der Mitglieder rechnet, ist für uns, die als studentische Mitglieder im Senat sprechen und Anträge stellen, die Vorbereitung auf so eine Sitzung eine Art Choreographie: Da werden Rücksprachen gehalten, Argumente und Redebeiträge zugewiesen und Stichworte vereinbart, damit wir von anderen Gruppen innerhalb des Senats nicht so einfach abgeschmettert werden können.

Das hat den Grund, weil sich dort sehr unterschiedliche Akteur:innen innerhalb der hochschulpolitischen Strukturen treffen, die unterschiedliche Interessen haben und durchsetzen möchten. Das erfordert eine annähernd perfekte Strategie, an die sich alle halten.

Ganz besonders ging es in dieser Legislatur um die Änderung der Grundordnung, die dieses Jahr vollzogen wurde und in der viele studentische Interessen eingebracht werden konnten.

akkuraTH: Und welche Interessen waren das?

Haucke: Das Hauptthema war in diesem Jahr die Zivilklausel. Das hatte einen relativ langen Vorlauf: bereits Ende 2018 haben sich gewisse Arbeitskreise gebildet. Es wurden Proteste gegen das Ansinnen im neuen Hochschulgesetz NRW laut, die Zivilklausel zu streichen.

(Anmerkung: Bei der Zivilklausel handelt es sich um eine Selbstverpflichtung von Bildungseinrichtungen wie Hochschulen, ausschließlich für zivile Zwecke zu forschen und dementsprechend einen Beitrag zu einer nachhaltigen, demokratischen und friedlichen Welt zu leisten. Der Arbeitskreis Zivilklausel hat als Subgremium des Studierendenparlaments den Auftrag, die Erfüllung dieser Selbstverpflichtung sicherzustellen.)

Dabei haben sich einige Menschen herauskristallisiert, die diesen Arbeitskreis gebildet haben. Das waren unter anderem Janina Becker, Timo Giebel, Lukas Krick, Marco Reichardt, Katrin Wirth und noch einige andere. Gemeinsam wurde eine Strategie erarbeitet, wie man es schafft, dass sich die TH Köln zu dieser Klausel bekennt, obwohl ja eigentlich ganz NRW sich dagegen entschieden hat. So würde die TH eine Art Gegenstatement darstellen. Beim ersten Versuch 2019, das im Senat vorzubringen, ist das Thema auf große Widerstände gestoßen und letzten Endes nicht weiter verfolgt worden. Die Zivilklausel verbaut schließlich gewisse Möglichkeiten, sich in Wirtschaft und Industrie zu etablieren und erzeugt so einen wirtschaftlichen Nachteil für die Hochschulen.

Durch die Änderung des Hochschulgesetzes NRW musste Monate später die Grundordnung der TH Köln aber geändert werden. Mein Vorgänger im Senat, Lukas Krick, hat sich damals dafür eingesetzt, dass auch vom Senat aus noch eine Arbeitsgemeinschaft Zivilklausel gegründet wird, was bis dahin noch nicht so üblich war (der Arbeitskreis Zivilklausel ist eigentlich, wie oben erwähnt, Teil des Studierendenparlaments). Diese Arbeitsgemeinschaft hatte die Aufgabe, die Wünsche der Studierenden, die unter dem Inhalt der Zivilklausel zusammengefasst werden können, hochschulkonform in die Grundordnung einzubringen. 

Der Vorschlag, den Paragraph 2 der Grundordnung unter dem Titel “Zivilklausel” aufzunehmen, wurde beispielsweise zunächst deutlich abgelehnt. Der Gegenvorschlag des Senats, den Paragraphen als “Selbstverständnis (Zivilklausel)” zu titulieren, traf wiederum besonders bei Marco und mir in der ersten Lesung der neuen Grundordnung auf Widerstand. Es war eine recht lange und vielschichtige Debatte, ob diese ganz eindeutige Bekenntnis zur Zivilklausel in der neuen Grundordnung der TH so zu lesen sein würde, aber letzten Endes sind wir uns einig geworden, und die Zivilklausel ist erfolgreich im August 2020 durchgesetzt worden und kann in der neuen Grundordnung als “§2 Selbstverständnis und Zivilklausel” nachgelesen werden.

akkuraTH: Wer sich mit den Themen Hochschulgesetz und Grundordnung auseinandergesetzt hat, dem ist die Zivilklausel schon ein Begriff. Aber möchtest du uns vielleicht noch einmal erklären, was dieser Paragraph in der Grundordnung eigentlich bedeutet, vielleicht speziell für die Studierendenschaft?

Haucke:  Auf die Zivilklausel kann man sich immer wieder beziehen, wenn es darum geht, die Hochschule für Entscheidungen zu rügen, die vielleicht nicht besonders nachhaltig oder demokratiefördernd sind. Gerade dann, wenn es um die Zusammenarbeit mit externen Personen, Instanzen oder Unternehmen geht, muss sich eine Hochschule mehr rechtfertigen als andere Einrichtungen. Zusätzlich zur Zivilklausel in der Grundordnung gibt es im wissenschaftlichen Kodex auch noch eine solche Klausel, die die Forschung und Lehre an ein bestimmtes Selbstverständnis bindet. Damit hat die Zivilklausel weitreichende Auswirkungen auf die Entscheidungen der Hochschule.

akkuraTH: Also ist die Zivilklausel eine Garantie für eine bessere Hochschule?

Haucke: Die Zivilklausel heißt nicht, dass sich jetzt alles automatisch ändert. Sie bietet vielmehr eine argumentative Grundlage, Sachen langfristig verändern zu können – im Interesse einer besseren Welt. Die Zivilklausel hält fest, dass sich die Hochschule zu einem Beitrag zu einer nachhaltigen, demokratischen und friedlichen Welt verpflichtet und liefert damit die Basis, Dinge dahingehend zu verändern.

akkuraTH: Wenn jetzt eine Person aus der Studierendenschaft einen Verstoß der Hochschule gegen die Zivilklausel beobachtet oder begründet vermutet – wie ist dann das Prozedere?

Haucke: Da im Senat streng genommen nur Senatsmitglieder Rede- und Antrags­tellungsrecht in den Sitzungen haben, können Studierende keine Anliegen im Senat vorbringen. Als studentische Mitglieder im Senat haben wir aber die Möglichkeit, wenn solche Anliegen an uns herangetragen werden, diese als Anträge zu formulieren, vorzubringen, und bei Bedarf auch die betreffenden Personen für Redebeiträge zu den Sitzungen einzuladen. Damit wir für solche Dinge ausreichend vernetzt sind und allen bei Bedarf unsere Stimme leihen können, müssen aber auch möglichst viele Studierende im Senat präsent sein. Und um das sicherzustellen, haben wir noch eine andere Änderung in der Grundordnung vorgenommen.

akkuraTH: Und welche Änderung ist das?

Haucke: Wir haben versucht, viel mehr Plätze für Studierende im Senat einzubauen. Es wurden leider nicht alle beschlossen, obwohl es unser Ansinnen war, einen paritätischen Senat zu erzeugen. Das würde bedeuten, dass von jeder Statusgruppe – also Studierende, Dozierende, wissenschaftliche Mitarbeiter:innen und Verwaltung – gleich viele Mitglieder da sind. Im Senat gibt es aber auch nicht-stimmberechtigte Mitglieder, um ein vielfaches Rede- und Antrag­stellungsrecht zu generieren. Solche Mitglieder sind dann in der Regel zum Beispiel Menschen aus anderen studentischen Gremien, also dem AStA, der Vertretung der studentischen Hilfskräfte und der Fachschafts­vertreter:innen­konferenz (FSVK), sodass Anliegen aus diesen Gremien ohne Umwege in den Senat gelangen und ein entsprechender Informationsfluss stattfinden kann. Trotz langer Diskussionen und vieler Hindernisse konnten wir die Anzahl dieser nicht-stimmberechtigten bzw. stellvertretenden Plätze auf fünf erhöhen, was eine wichtige Errungenschaft für die Studierenden­schaft ist. So können wir uns aktiver und eben auch gesetzgebend an der Gestaltung der Hochschul­politik und des Hochschullebens beteiligen.

Elisabet Bästlein

Elisabet Bästlein

Redaktionsleitung

Elisabet versuchte einige Jahre lang vergeblich, ihr Studium der pharmazeutischen Chemie zu beenden. Heute arbeitet sie als Content-Managerin für ein Unternehmen in Bonn. Vor ihrer Studien­zeit war sie als freie Journalistin in der Kreis­redaktion Nord­friesland des Schleswig-Holsteinischen Zeitungs­verlages (sh:z) tätig.

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