ein ganz ’normales‘ wintersemester?

ein beitrag aus ausgabe 5
vom 09.11.2021
Verfasst von Maurice Zurstraßen
Präsenzlehre (Foto: Maurice Zurstraßen)

Für viele Studierende aktuell ein echter Luxus: Lehre im Seminarraum.

Nach drei Semestern digitaler Lehre sehnten sich viele Studierende nach einem ganz gewöhnlichen Alltag an den Hochschulen und Universitäten. Präsenzveranstaltungen bleiben an Kölner Hochschulen für die Mehrheit der Studierenden aber oft weiterhin eine Seltenheit. Dabei scheint es vor allem auf den Studiengang anzukommen.

rückblick: digitale lehre per zoom

Dank des Programms Zoom konnte der Hochschulbetrieb trotz Pandemie zwar digital weiterlaufen, eine optimale Lösung war dies allerdings nie – eher eine Zwecklösung. Als sich das Virus zunehmend ausbreitete, mussten die Universitäten ihren Betrieb innerhalb kürzester Zeit von analog auf digital umstellen. Dozierende und Studierende hatten Schwierigkeiten, sich an die neue Form der Lehre zu gewöhnen. Die Vermittlung von Inhalten nahm über die digitalen Kanäle deutlich mehr Zeit in Anspruch, mussten doch oft technische Aspekte geklärt werden. „Sehen Sie meinen Bildschirm?“ „Können Sie mich hören“? „Ich kann den Chat nicht auch noch im Auge behalten“ „Es wäre schön, wenn Sie ihre Kamera anmachen“ waren die Sätze, die am häufigsten zu hören waren. Mit der Allzweck-Waffe „Breakout-Rooms“ wurde versucht normale Gruppenarbeiten zu ermöglichen. Digitale Tools wie GoogleDocs, Jamboards, Mentimeter und Umfragen -um nur einige zu nennen -sollten Interaktivität und Abwechslung schaffen. Das ganze Gezoome drückte aber schon damals vielen Studierenden auf die Stimmung. So hatten sie sich ihr Studium nicht vorgestellt. Oft klingelte der Wecker fünf Minuten vor Beginn der Vorlesung und der Laptop wurde schnell gestartet. Während der Online-Vorlesung erreichte die Aufmerksamkeitspanne irgendwann ihre Grenze. Zuhören war dann kaum noch möglich. Und Ablenkung gab es zu Hause ohne Ende, sei es das Handy, das Zimmer, das wieder aufgeräumt werden kann oder das Frühstück.

Hoffnung auf einen normalen Unialltag

Mit anderen Kommilitonen:innen und Dozierenden von Angesicht zu Angesicht diskutieren statt der Blick auf schwarze Kacheln, den Inhalten im Hörsaal oder Seminarraum statt zuhause am Schreibtisch oder gar im Bett folgen, mit Kommilitonen:innen zusammen in der Mensa essen statt alleine zuhause. Kurz: ein typisches Studierendenleben. Aufgrund der Corona Pandemie mussten Studierende auf all das anderthalb Jahre verzichten. Mit einer Impfquote von fast 70% keimte die Hoffnung auf ein normales Wintersemester 2021/2022  in Präsenz auf. Die Universität zu Köln ließ sich nicht lumpen und mietete extra das Rhein-Energie-Stadion, um die über 5.000 Erstsemester zu begrüßen. Ein hoffnungsvolles Zeichen oder doch nur heiße Luft?

AkkuraTH hat mit vier Studentinnen über das laufende Wintersemester gesprochen, um herauszufinden, wie viel Präsenzlehre tatsächlich stattfindet.

Lea Thienemann (20): Sonderpädagogik, 2. Semester, Universität zu Köln:

„In einer Mail der Universität wurde ein hybrides System angepriesen. Die Realität ist aber eine ganz andere. Wir haben nur eine einzige Veranstaltung in Präsenz. Es kam mir vor wie eine Fata Morgana, nach Monaten wieder so viele Menschen zu sehen. Ich war richtig glücklich, ich konnte meinen Kommilitonen in die Augen schauen. Bei Online-Veranstaltungen nehme ich viel weniger mit und der menschliche Aspekt fehlt. Ich bin nicht die einzige, die sich deutlich mehr Präsenz erhofft hätte. Auf eine Beschwerde-Email ans Rektorat und die Institute erhielten wir allerdings nur eine oberflächliche und schwammige Rückmeldung. Die Art, wie man mit uns Studierenden umgeht, ist frustrierend.“

Caroline Vollema (21): Lehramt Sozialwissenschaften, 3. Semester, Universität zu Köln:

„Ich gehöre zu den glücklichen, die mehr Veranstaltungen in Präsenz haben, um genau zu sein, vier (zwei Tage Präsenz, zwei Tage online). Ich habe etwas bekommen, was ich nicht mehr hergeben möchte. Ich bin viel aufmerksamer, ich komme raus aus meinen elf Quadratmetern, wo man schläft, lernt und lebt. Umso unangenehmer ist das Hybrid-Modell, wenn es dann statt Präsenz doch wieder Zoom heißt.“

Marie Bußmann (21) Sonderpädagogik, 5. Semester, Universität zu Köln:

„Ich habe extra ein Seminar genommen, das in Präsenz angeboten wird. Sonst hätte ich alles online gehabt. Ich habe für das Vorgehen der Universität kein Verständnis. Wie kann es sein, dass man ein Stadium füllt, aber keine Präsenzveranstaltungen anbietet? Es ist keine Fernuni und kein Fernstudium. Schulen, wo viele nicht geimpft sind, sind offen. Warum dann auch nicht Universitäten? Viele Studierende sind schließlich geimpft. Andere Universitäten, wie die in Münster oder Wuppertal, haben zu einem großen Teil wieder Präsenz. Die letzten Semester hatte ich mehrere Kurse, wo nur die Folien hochgeladen wurden. Bei Veranstaltungen in Präsenz ist der Kontakt zu Mitstudierenden und Dozierenden viel besser und ich kann mich besser konzentrieren. Ich habe jedem meiner Dozierenden eine Mail geschrieben. Viele haben Unverständnis gegenüber der Uni gezeigt, andere setzen einfach lieber weiterhin auf Online-Veranstaltungen statt Präsenz. Viele Räume wurden scheinbar als nicht coronakonform eingestuft. Ich glaube, dass mehrere Faktoren schuld an der aktuellen Situation sind – Dozierende, die mangelhaften Räume und die Misskommunikation zwischen Dozierenden und den Fakultäten beziehungsweise der Uni.“

Ann-Christin Neugebauer (24): Pharmazie, 5. Semester, Westfälische Wilhelms-Universität Münster:

„Wir hatten bereits in den letzten Semestern Labortermine in Präsenz. Dieses Semester haben wir komplett in Präsenz. Ich habe mehr das Gefühl Studentin zu sein und bin mehr im Studentenleben drin. Einigen Vorlesungen kann ich einfacher folgen, es ist aber auch ein komisches Gefühl im Hörsaal zu sein. Teilweise sitze ich dort mit 400 Leute, alle tragen Maske. Zu Beginn waren viele krank. Einige sind trotzdem mit Symptomen gekommen, da man bei den Pflichtveranstaltungen nicht fehlen darf.  Ich persönlich hätte mir ein Hybridmodell gewünscht, da die Online-Veranstaltungen mir eine größere Flexibilität ermöglichen und ich meine Freizeit und Fernbeziehung einfacher unterbekommen würde.“

Hierbei handelt es sich nur um einen kleinen Ausschnitt aus den Erfahrungen der Studierenden. Wie sieht es bei euch aus? Wie viel Präsenzveranstaltungen habt ihr? Hättet ihr euch mehr erhofft?

Maurice

Maurice

Freier Autor

Maurice studiert Online-Redaktion an der TH in Köln. (Ein Bachelor hatte ihm ja nicht gereicht.) Wenn er nicht gerade schreibt, versucht der große Konzert-Fan vergeblich Roger Federer nachzueifern. Dass er noch nie einen Tropfen Alkohol zu sich genommen hat, hilft der Tenniskarriere auf jeden Fall auf die Sprünge.

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