zeitreise: theodorus van gogh

ein beitrag aus ausgabe 4
vom 07.19.2021
Verfasst von Elisabet Bästlein

Als größte Fach­hochschule Deutschlands – und noch dazu als eine, die einen technische Schwer­punkt – haben wir uns nun öfter mit dem Thema Zeitreisen auseinander­gesetzt. In unserer neuen „Zeitreise“ möchten wir Gespräche mit euch teilen, die wir mit genialen Köpfen der Menschheits­geschichte geführt haben, die die Geschichts­bücher zu erwähnen versäumen.

Theodorus van Gogh

akkuraTH: Herr van Gogh, Ihr Nachname hat Geschichte geschrieben. Wie gehen Sie damit um, dass man darunter nicht Ihr Leben und Werk, sondern das Ihres älteren Bruders versteht?

van Gogh: Ich bin kein Künstler. Demnach gebührt mir auch nicht der Ruhm für etwas. Als mein Bruder sich das Leben nahm, wollte ich der Welt die Chance geben, das in meinem Bruder zu sehen, was ich in ihm gesehen habe. Ich selbst hatte nie Interesse daran, berühmt zu werden, ich hatte meine Arbeit, mein Vermögen und meine Familie. Das hat mir gereicht.

akkuraTH: Was haben Sie denn in ihm gesehen?

van Gogh: Es war, als hätte mein Bruder eine andere Sprache gesprochen und niemand hat ihn verstanden. Ich habe in ihm jemanden gesehen, der all die Schönheit, die er wahrnahm, eines Tages nicht mehr ertragen konnte. Für all das, was er auf sich genommen hat, seine verzweifelten Versuche, „normal“ zu sein, obwohl er eben einfach besonders war, verdiente er es, endlich einmal gesehen zu werden. Dass das erst nach seinem Tod passierte, hat mich selbst auch sehr tief beschämt.

akkuraTH: Im Jahr 2021 ist die Vermutung weit verbreitet, dass Ihr Bruder ein so bekannter Künstler wurde und so kreativ war, weil er gelitten hat, und das Leid in ihm diese besonderen Ressourcen geweckt hat. Wie sehen Sie das als jemand, der ihn gekannt hat?

van Gogh: Niemand leistet mehr, weil er leidet. Das ist Humbug. Vincent lebte für die Kunst, und er überlebte, weil er Menschen hatte, die ihn liebten. Menschen, die anders sind und die nicht verstanden werden, haben es oft schwerer im Leben, weil sie nicht überall dazugehören können. Diese Zugehörigkeit wollte ich ihm geben, weil ich ihn geliebt habe und er zu mir gehört hat.

 

Ohne seinen Bruder Theo, der ihn emotional und finanziell unterstützt hat, wäre Vincent van Gogh viel eher am Ende gewesen. Nach Vincents Suizid initiierte Theo eine Gedächtnisausstellung mit den Werken seines Bruders. Es ist davon auszugehen, dass Vincent van Gogh ohne seinen Bruder auch nach seinem Tod nie den Ruhm erlangt hätte, den er heute besitzt. Theo van Gogh starb nur ein Jahr nach dem Tod seines Bruders in geistiger Umnachtung an den Folgen von Neurosyphilis und massiver Überarbeitung.

Elisabet Bästlein

Elisabet Bästlein

Redaktionsleitung

Elisabet versuchte einige Jahre lang vergeblich, ihr Studium der pharmazeutischen Chemie zu beenden. Heute arbeitet sie als Content-Managerin für ein Unternehmen in Bonn. Vor ihrer Studien­zeit war sie als freie Journalistin in der Kreis­redaktion Nord­friesland des Schleswig-Holsteinischen Zeitungs­verlages (sh:z) tätig.

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